Seit einiger Zeit stellt sich mir immer wieder die Frage, ob wir uns nicht mehr ehrlich für andere freuen können, oder vielleicht sogar wollen? Ist es für uns unmöglich geworden beim Glück und Erfolg anderer, uns sehr engen Menschen, inne zu halten und diesem Menschen unsere Zeit für diesen tollen Moment zu schenken?
Wieso ist das so? Sind wir so sehr ich bezogen, ist die Welt zu hektisch, oder sind wir schlichtweg missgünstig? Oder ist diese Beobachtung einfach nur ein weiteres Symptom dafür, dass wir verlernt haben richtig zuzuhören? Damit meine ich das hundertprozentige verfolgen einer Geschichte einer anderen Person, ohne direkt das erzählte auf sich zu projizieren um mit „Ich kenn das.“, „Bei mir war das so“, „Also weißt du noch bei mir …“ oder ähnlichem zu antworten.
Diese Art der Antworten finde ich schon bei ernsten Gesprächen etwas schwierig, trotzdem kann man bei diesen noch etwas guten Willen der Antwortenden Person sehen: Sie wollte eine Hilfestellung anbieten.
Das Problem, was hier häufig übersehen wird, ist, dass die erzählende Person manchmal gar keinen Rat möchte. Meist möchten diese einfach nur Ihrem Leid verbal, in einer sicheren Umgebung mit dir als zuhörende Person, Luft machen. Wir dürfen hier nicht vergessen, dass nur die erzählende Person weiß, wie die Situation für sie ist, was sie wirklich gerade braucht und wie sie mit der Situation umgehen und als nächstes machen muss.
Wenn nicht, dann wird diese Person schon um Rat fragen. Und wenn nicht, dann möchte sie einfach an einem sicheren Ort ihr Inneres öffnen, Mitgefühl bekommen und du solltest deine Ratschläge in deinem Kopf stecken lassen.
Und wieso ist das so schlimm?
Hier ungefragt Handlungsvorschläge und eigene, fremde Perspektiven in ein Thema einzubringen, welches man nur aus Erzählungen kennt, kann für die erzählende Person mit dem Problem teilweise übergriffig wirken. Es ist wie als würde man einen Handlungsrahmen übergezogen bekommen und zeitgleich wird vorausgesetzt, dass zwei Personen die selben Situationen mit identischen Gefühlen und Gedanken erlebt haben.
Ich fasse mich kurz: Das geht nicht. Jeder ist anders. Jeder ist auch anders an den Punkt gelangt an dem er gerade ist und deswegen trifft Person A eine Situation anders als Person B.
Worauf ich eigentlich hinaus möchte ist, dass man in Gesprächen hin und wieder inne halten sollte und sich fragen oder vielleicht sogar den erzählenden fragen sollte, was er gerade braucht wie es ihm geht.
Wenn zum Beispiel jemand, der vier Jahre lang 45 Minuten mit dem Auto zur Arbeit gefahren ist, freundig erzählt, dass sein neuer Arbeitsweg mit dem Fahrrad (vielleicht nach einem Umzug oder Firmenwechsel) in einer Großstadt nur noch 10 Minuten beträgt, dann sollte man sich für diese Person freuen und diese Situation nicht mit seiner eigenen (vielleicht schlechteren, vielleicht aber auch besseren) vergleichen und das verbal zum Ausdruck bringen.
Das kann etwas missgünstig und manchmal auch herabspielend/herablassend wirken und hin und wieder muss man sich und andere Situationen nicht vergleichen. Man kann sie einfach stehen lassen und sich ohne Hintergedanken für die Person freuen, oder auch da sein. Ganz ohne ungefragten zusätzlichen Input.
Woher kommt das Vergleichen und der Drang sich immer über die Person einem gegenüber zu überlegen zu fühlen?
Kann es auch sein, dass Menschen lieber bei dir sein wollen, wenn diese merken, dass es dir schlecht geht und du deren Hilfe brauchst? Und dann verschwinden, wenn es dir besser geht? Sind wir Menschen Motten für negative Emotionen? Könnte schon sein, denn nichts erfreut so viele als über Menschen negativ zu reden und sich an deren Situationen zu laben.
Ich weiß gerade nicht was ich schlimmer finde. Wenn man sich über Erfolg anderer nicht freuen kann, oder wenn man ernste (oder auch normale) Schilderungen von Situationen kapert, um anschließend von seinem (meist nicht dazupassenden) Kram zu erzählen.
Hier eine Bitte: Lasst Leute ausreden. Stellt Anschlussfragen. Fangt an euch für andere wirklich zu interessieren!
Zusätzlich möchte ich dir noch diesen Medium Artikel empfehlen, der alle meine Punkte noch einmal doppelt unterstreicht und laut dafür applaudiert. Nachdem ich diesen Artikel diese Woche gelesen hatte, fühlte ich mich stark mit meiner Beobachtung bestätigt.